Forrester: Low-Code ist der Schlüssel zur digitalen Reise
Senior Forrester Analyst John Bratincevic sprach mit uns darüber, warum Unternehmen Low-Code-Plattformen verwenden sollten.
Low-Code für KMUs
John, was sind aus Deiner Sicht die Hauptvorteile von Low-Code – vor allem auch für kleinere und mittlere Unternehmen? Gibt es Geschäftsprozesse, die sich besonders eignen, um sich mit Low-Code vertraut zu machen?
Ich empfehle generell die Einführung einer Low-Code-Plattform. Meiner Ansicht nach muss praktisch jedes Unternehmen, unabhängig von der Größe, über digitale Fähigkeiten verfügen: die Fähigkeit, maßgeschneiderte Software zu erstellen und diese Software ständig zu ändern ist für Firmen und auch für Einzelunternehmer wichtig.
Die Fähigkeit, Anwendungen zu erstellen, mit denen Sie Ihre Kunden ansprechen, maßgeschneiderte Aufzeichnungen führen (ohne das allmählich entstehende Durcheinander, das mit papier— oder kalkulationsbasierten Systemen einhergeht), Prozesse oder Verwaltungsaufgaben automatisieren, Ihr Geschäft in Software sichtbar machen und dynamisch gestalten können, usw. ist sowohl ein taktischer als auch ein strategischer Vorteil. Man kann nicht einfach eine Reihe von SaaS-Anwendungen kaufen und sich als "digital" bezeichnen — das funktioniert nicht.
Was die ersten Schritte angeht: Es liegt auf der Hand, mit Prozessen zu beginnen, die derzeit über Papierformulare, Tabellenkalkulationen oder manuelle Arbeitsabläufe mit E-Mail verwaltet werden. Häufig handelt es sich dabei um unterversorgte Prozesse, wie z. B. Garantieansprüche.
Wie sollen KMUs Low-Code-Anbieter wie Ninox bewerten?
Bei der Bewertung einer Low-Code-Plattform sollten folgende 3 Aspekte berücksichtigt werden:
- Lizenzkosten für Ihre Anwendungsfälle:
Die Lizenzierung pro Endbenutzer ist typisch für Low-Code. Aber wenn Sie planen, die Plattform für kundenseitige Anwendungsfälle zu nutzen, kann diese Struktur unpraktisch sein. In diesem Fall sollten Sie eine Plattform wählen, die ein anderes Lizenzierung-Schema bietet.
- Werden genügend Entwicklungsdienste angeboten, um als "Allzwecklösung" zu gelten?
Viele Einzellösungen bezeichnen sich selbst als"Low-Code"-Lösungen, weil sie über einen Bereich des Produkts verfügen, der eine individuelle Konfiguration ermöglicht. Damit Low-Code jedoch eine effektive Alternative zur herkömmlichen Programmierung darstellt, benötigen Sie Tools, die mehrere grundlegende Entwicklungskonzepte in dem/den von Ihnen ausgewählten Produkt(en) abdecken:
- Relationale Datenmodellierung und Datenspeicherung
- Geschäftslogik/Workflow/Automatisierung
- Benutzerfreundlichkeit/ Frontend-Entwicklung
- Integrationen
- Werden branchenspezifische Funktionen verfügbar?
Es ist wichtig zu wissen, ob die Plattform über branchenspezifische Funktionen verfügt. Wenn Sie beispielsweise ein Dienstleistungsunternehmen sind, das Außendienstmitarbeiter und Techniker zum Kunden schickt (und diese Field Service Management-Prozesse digitalisieren muss), werden Sie eine Plattform mit guten mobilen Funktionen und integrierten Optionen für z. B. Tourenplanung, elektronische Unterschriften oder Zahlungen auswählen wollen.
Wer ist Treiber der Digitalisierung: die IT-Abteilung oder das Management?
Wer sollte einen solchen digitalen Transformationsprozess und eine solche Initiative vorantreiben in Unternehmen, das Top-Management, die IT oder die Fachbereiche?
Die Führungskräfte des Unternehmens müssen erkennen, dass sie digital sein müssen – das heißt softwaregesteuert und hoch automatisiert. Und dass Low-Code der Schlüssel zur digitalen Reise ist. Sie sollten auch eine klare Vorstellung davon haben, wie das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette des Unternehmens von einem digitaleren Ansatz profitieren werden: z.B. digitale Kanäle für die Kundenansprache, mehr Automatisierung, die Fähigkeit, auf Marktveränderungen zu reagieren usw.
Die IT-Abteilung sollte in der Regel an der Auswahl des Low-Code-Produkts beteiligt sein und sicherstellen, dass der Funktionsumfang den grundlegenden Anforderungen entspricht, sowie dass alle technischen- und sicherheitsrelevanten Anforderungen erfüllt werden. Ob die IT-Abteilung oder die Fachabteilung die neue Plattform führt und unterstützt, hängt einfach von der Organisation ab.
Die Anwendungsentwicklung auf der Low-Code-Plattform sollte je nach Unternehmen und Anwendungsfall entweder von einem ultra-agilen digitalen Team oder von den betreffenden KMUs selbst durchgeführt werden. Eine sehr praktische Möglichkeit, damit zu beginnen, ist die Schulung der Experten für Prozessverbesserung, Projektmanagern oder Betriebsleitern in der Low-Code-Entwicklung. Diese Personen sind Experten für die Lösung von Geschäftsproblemen.
Was man NICHT tun sollte, ist, Low-Code nur deshalb zu kaufen, weil es ein Hype-Thema ist und dann die Technologie in einem abgeschotteten IT-Team mit traditionellen Entwicklungskulturen und -methoden (z.B. Wasserfall) einzusetzen. Low-Code ist ein sehr praktischer Weg zu einer agilen, iterativen Denkweise, bei der man mit Technologien experimentiert. Low-Code plus Einbindung von digital-affinen Fachabteilungen ist sogar noch besser.
Welche Rolle spielt oder sollte Low-Code bei der IT-Ausstattung in KMUs spielen?
Kurzfristig wird die Low-Code-Technologie eine pragmatische Wahl für IT-Abteilungen kleiner und mittlerer Unternehmen sein, um benötigte Softwarelösungen auf extrem agile Weise bereitzustellen.
Low-Code ist nicht nur schneller und einfacher als Kodierung (und wird in der Regel als Cloud-Service bereitgestellt), sondern unsere Daten zeigen, dass Low-Code-Entwickler den High-Code-Entwicklern voraus sind, wenn es um die Übernahme "moderner" und "fortschrittlicher" Cloud-nativer Technologie geht. Dies ist ein echter Vorteil, insbesondere für kleinere Unternehmen, die nicht über die gleichen Entwicklungsressourcen verfügen wie ein Großunternehmen.
Langfristig werden viele Akteure in Unternehmmen zu Low-Code-Entwickeln - sowohl in KMUs als auch in größeren Unternehmen. D. h. zusätzlich zu ihren geschäftlichen Aufgaben werden sie mit Low-Code Lösungen entwicklern. Es gibt keinen Grund, die von Ihnen benötigte Anwendung von einem IT-Experten erstellen oder ändern zu lassen, wenn man das selbst machen kann.
Ich habe bereits sehr effektive KMU-Modelle gesehen, bei denen die IT-Abteilung nur technologische Aufgaben ohne geschäftlichen Bezug übernimmt, wie die Bereitstellung und Unterstützung IT-Infrastruktur, Hardware, Internet usw. Währenddessen wird die gesamte Anwendungsentwicklung von Fachbereiche auf Low-Code-Plattformen durchgeführt. Letztendlich wird die künstliche Trennung zwischen Geschäftsleuten und Technologen verschwinden. Entwicklungswissen (d.h. die Fähigkeit, eine Anwendung zu erstellen oder zu ändern) wird nicht mehr geheim sein, sondern eine allgemeine Geschäftskompetenz darstellen. Geschäftsleute werden über ein breites Spektrum an technischem Fachwissen verfügen, und ein gewisses Grundwissen über gängige Low-Code-Plattformen wird für viele Geschäftsfunktionen erwartet werden — so wie heute Excel-Tabellen und E-Mail.
Und schließlich: Warum der Fokus auf dem Begriff "Low-Code"? Warum nicht "No-Code" oder anders? Warum wird Codierung Deiner Meinung nach immer der Schlüssel sein?
Forrester hat sich aus zwei Gründen für den Begriff "Low-Code" (statt "No-Code")entschieden:
Praktisch alle auf dem Markt befindlichen Low-Code-Produkte erlauben es dem Entwickler, in bestimmten Situationen oder Bereichen des Produkts etwas Code zu schreiben — selbst die s.g. "No-Code"-Produkte.
In Unternehmen ist für die meisten großen Projekte ein gewisses Maß an Codierung erforderlich - zu der Zeit, als dieser Begriff geprägt wurde, gab es selten eine echte "codefreie" Implementierung.
Meiner Meinung nach ist es noch nicht ausgemacht, ob "Codierung immer der Schlüssel" für die meisten Klassen von Geschäftsanwendungen sein wird. Ich habe mehrere Beispiele für umfangreiche Unternehmensanwendungen gesehen, die ganz ohne Code geschrieben wurden, und ich kenne einige große Unternehmen, die dies sogar als architektonisches Ideal ansehen.
Aber in der Realität schreiben Low-Code-Teams immer noch häufig etwas Code, um Anwendungen fertigzustellen, insbesondere große Anwendungen.